Die auf luxuriöses Plastikmobiliar und Dekorationen spezialisierte italienische Designmarke Kartell wurde 1949 von Giulio Castelli (1920 - 2006) und seiner Frau Anna Ferrieri (1918 - 2006) in Mailand gegründet. Als Sohn eines Plastikforschers war Castelli von experimentellen, neuartigen Materialien von klein auf sehr angetan und studierte später chemische Verfahrenstechnik bei dem Nobelpreisträger und Chemiker Giulio Natta. Währenddessen studierte Ferrieri am Polytechnikum in Mailand bei dem einflussreichen, neo-rationalistischen Architekten und Designer Franco Albini.
In den frühen Jahren der Nachkriegszeit waren Castelli und Ferrieri begierig darauf, zum Wiederaufbau ihres Landes mit hochqualitativem und innovativem industriellem Design beizutragen. Zunächst konzentrierte sich das Unternehmen auf Autozubehör wie das K101 Ski Rack (1950). 1953 aber eröffnete Kartell seine Haushaltswarenabteilung und fing mit der Produktion der blickfangenden, geformten Plastikeinrichtungen an, für die die Firma heute international bekannt ist.
In den Fünfzigern wurde Plastik meist als ungewöhnlich für Wohneinrichtungen angesehen. Die frühesten Designs Kartells waren größtenteils kleine Gebrauchsartikel für die Küche. Zu den Highlights dieser Periode gehören der KS 1146 Bucket (1955), der KS 1475 Carpet Beater (1957), der KS 1068 Standing Dustpan (1958), der KS 1481 Lemon Squeezer (1959) und das Model KS 1171/2 Dish Drainer (1960), die alle von Designer Gino Colombini stammen und in der Dauerausstellung des New Yorker Museum of Modern Art zu sehen sind. Der KS 1146 Bucket wurde 1955 mit dem Compasso d’Oro ausgezeichnet.
In den Sechzigern wandten sich Castelli und Ferrieri der Aufgabe zu, die Meinung über Plastik zu verändern, indem sie stylische und gleichzeitig funktionale Möbel und Innendekorationen schufen. Die Wohnabteilung von Kartell wurde 1963 eröffnet und brachte den K 4999/K 1340 Children’s Chair hervor, der von Marco Zanuso und Richard Sapper 1964 entworfen wurde - der weltweit erste Plastikstuhl und 1964 Gewinner des Compasso d’Oro. Im folgenden Jahr arbeitete Joe Colombo mit Kartell, um den Bugholzstuhl 4801 Chair (1965) zu produzieren, das einzige Vollholzstück Kartells.
1967 öffnete Kartells neuer Hauptsitz in Noviglio, der von Ferrieri entworfen wurde und seit 1999 das Museo Kartell beherbergt. Im gleichen Jahr entwarf Colombo Kartells 4867 Universal Chair, der erste Stuhl, der durch die Anwendung von spritzgeformtem Plastik aus einem Stück besteht. Der heute als Meilenstein in der Designgeschichte angesehene Universal Chair kann in Sammlungen auf der ganzen Welt bewundert werden. Andere Kultstücke Kartells sind Colombos KD27 Table Lamp (1967), Gae Aulentis Re Sole Lamp (1967) und Ferrieris 4966 Componibili Storage Module (1969).
Kartells Status in der Designgeschichte erreichte ein neues Level, als die Designs des Unternehmens 1972 in die legendäre Ausstellung Italy: The New Domestic Landscape im Museum of Modern Art in New York aufgenommen wurden. Kartells Plastikstücke passen perfekt neben futuristische Schönheiten von Designern und Studios wie Archizoom, den Castiglioni Brüdern, Vico Magistretti, Gaetano Pesce, Ettore Sottsass und Superstudio, die alle ebenfalls in dieser Ausstellung der Avantgarde vertreten waren.
1988 beschlossen die Castellis, ihr Unternehmen an ihren Schwiegersohn Claudio Luti, den früheren Geschäftsführer von Versace, zu verkaufen. Nach zehn Jahren in der Modeindustrie übernahm der italienische Unternehmer Kartell und erweiterte das Netzwerk von beitragenden Designern um Künstler wie Ron Arad, Antonio Citterio, Vico Magistretti, Philippe Starck und Marteen van Severen. So waren die Neunziger und frühen Zweitausender sehr erfolgreiche Jahre für Kartell. Zu den Besonderheiten um die Jahrtausendwende gehören Arads Bookworm Wall Shelf (1994), Citterios Mobile Drawers System (1994), Magistrettis Maui Chair (1966), Starcks La Marie Chair (1998), van Severens LCP Chair (1999), Starcks Bubble Club Sofa (2000) und Starcks Louis Ghost Chair (2002).
Auch heute bleibt Kartell ein Maßstab, wenn es um zeitgenössische Designkultur geht. In den letzten Jahren hat Kartell beispielsweise Designs von Front, Nendo, Patricia Urquiola und Tokujin Yoshioka produziert, um ein paar zu nennen. Die Designs der Firma können sowohl in öffentlichen, als auch privaten Museen auf der ganzen Welt gefunden werden.
Wenn Sie sich weiter informieren möchten, können Sie dies mit Kartell: The Culture of Plastics, das 2013 von Taschen veröffentlicht wurde.
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